Abstract
Probabilistic seismic risk assessment involves the appraisal of three components: the seismic hazard due to expected ground motions, the exposure, i.e., assets exposed to the hazard, and their vulnerability with respect to the hazard. Earthquake sequences are a result of a time dependent process, which is complex to consider in a probabilistic framework. It is thus common to reduce sequences to their largest event, the so-called main shock. The occurrence of these main shocks can be modeled assuming a Poisson process with constant average rates. This is convenient from a mathematical point of view, as the connected probability distribution is simple, but of course, a large portion of the seismicity is neglected. As a result of the long inter-event times in such a Poissonian model, it is commonly assumed that potentially damaged buildings are repaired before the next strong event. In reality, the repair of buildings, especially if a large number have been affected, might take several years. As a consequence, buildings are likely to be still damaged when subsequent events occur. For aftershocks, which commonly occur within hours or days after the main event, this is definitely the case. Furthermore, a building’s response is not identical for its intact and damaged states. If these effects are not considered within a seismic risk assessment, then the resulting estimates will most likely fail to predict accurate results.
In order to determine if this is the case over urban scales, this thesis sets out to design, develop and test an approach to relax the two assumptions with the aim of developing time- and state-dependent seismic risk models. The accompanying research questions are: 1) if this results in loss estimates that are significantly different from those of a classical model, 2) which components of the model have the strongest influence, and 3) if simplifications can be made to model the complex process. The approach developed here employs a simulation framework that models full seismic sequences using an epidemic type aftershock model, a Markov-chain damage process, state-dependent fragility models, and various probabilistic repair functions.
The approach is tested for the city of Nablus in the West Bank, Palestine. For this purpose, a fully probabilistic seismic hazard model is developed for the region. A multi-source imaging analysis is employed to collect exposure data using remote rapid visual screening. For the identified building types, a simplified analysis is performed to obtain state-dependent fragility models, while the many simplifications applied don’t yield reliable absolute losses, they permit the identification of tendencies and answer the formulated research questions. The results show that a time- and state-dependent model yields significantly higher losses than a classical model, reaching a difference of up to 58% in the examples presented in this work. It is shown that considering the problem only partially is not sufficient. While including fore- and aftershocks, but no time-delayed repair and state-dependency, yields a potentially strong overestimate of losses at low exceedance probabilities, disregarding the state-dependency underestimates the losses over the whole range of probabilities. Furthermore, considering time- and state-dependency in Poissonian models does not influence the losses significantly, at least for the demonstrated case of Nablus.
It can be concluded that despite the greater efforts required to develop time- and state-dependent models over urban scales, the effects are strong enough to justify the development cost if accurate risk models are intended. However, for observation periods of a single year, it was found that a constant daily repair probability may be sufficient to approximate more complex time-variant repair models. Many additional questions have emerged from the findings of this thesis. These concern the issue of more detailed analyses using more sophisticated components, mainly for the hazard and fragility models. In addition, the framework developed within this thesis can form the basis for a multitude of new research directions in the field of cascading effects. These may include the consideration of multiple hazards, dynamically evolving exposure models, and interactions between them.
Eine probabilistische Erdbebenrisikoanalyse beinhaltet die Bewertung dreier Komponenten: der aus Bodenbewegungen resultierenden seismischen Gefährdung, dem Exposure, sprich Werte, die der Gefährdung ausgesetzt sind und der Vulnerabilität dieser im Hinblick auf die Gefährdung. Erdbeben ereignen sich als Folgen und sind das Ergebnis eines zeitabhängigen Prozesses, dessen wahrscheinlichkeitstheoretische Berücksichtigung kompliziert ist. Deshalb ist es üblich die Erdbebensequenz auf deren größtes Erdbeben, sogenannte Hauptbeben zu reduzieren. Das Auftreten dieser Hauptbeben kann als Realisierungen eines Poissonprozesses mit konstanten Raten simuliert werden. Dies ist aus mathematischer Sicht günstig, da die damit verknüpfte Wahrscheinlichkeitsverteilung einfach zu handhaben ist, allerdings wird durch die Reduktion ein großer Teil der Seismizität vernachlässigt. Da die Zeit zwischen zwei dieser Hauptbeben eines solchen Poissonmodelles verhältnismäßig lang ist, wird für gewöhnlich angenommen, dass die möglicherweise in einem Beben beschädigten Gebäude bis zum nächsten Beben wieder repariert sind. In Wirklichkeit kann die Reparatur von Gebäuden unter Umständen mehrere Jahre dauern, insbesondere wenn eine große Anzahl beschädigt wurde. Daraus folgt, dass im Falle weiterer Beben einige Gebäude wahrscheinlich noch beschädigt sind. Für Nachbeben, die auch innerhalb von Stunden oder Tagen nach dem Beben auftreten können, ist dies mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fall. Des Weiteren ist die Antwort eines Gebäudes auf eine Bodenbewegung im beschädigten Zustand nicht identisch zu der eines intakten Gebäudes. Falls diese Effekte im Rahmen einer Erdbebenrisikoanalyse nicht berücksichtigt werden, ist es möglich, dass die resultierenden Abschätzungen daran scheitern akkurate Vorhersagen treffen zu wollen.
Um herauszufinden ob dies über urbane Skalen der Fall ist, wird im Rahmen dieser Arbeit ein Ansatz entwickelt, implementiert und getestet, der beide klassischen Annahmen in Frage stellt, und hin zur Entwicklung von zeit- und zustandsabhängigen Erdbebenrisikomodellen führt. Die damit einhergehenden wissenschaftlichen Fragestellungen sind: 1) ob solch ein Modell Verlustabschätzungen zur Folge hat, die signifikant verschieden von denen eines Modells unter klassischen Annahmen ist, 2) welche Komponenten des Modells den stärksten Einfluss darauf haben und 3) ob zu einem gewissen Grad Vereinfachungen für das komplexe Modell möglich sind. Der hier entwickelte Ansatz baut auf eine Simulationsumgebung die vollständige Erdbebensequenzen mit Hilfe eines epidemischen Nachbebenmodelles simuliert, einen Markov-Ketten Schadensprozess nutzt und zustandsabhängige Fragilitätsmodelle sowie verschiedene Wahrscheinlichkeitsfunktionen für die Reparatur berücksichtigt.
Der Ansatz wird anhand der Stadt Nablus im Westjordanland (Palästina) getestet. Zu diesem Zweck wird ein vollständig probabilistisches Erdbebengefährdungsmodell entwickelt. Zudem wird eine Satellitenbild- und Mobile-Mapping gestützte Bildanalyse multipler Quellen durchgeführt, um mit Hilfe von rascher visueller Gebäudefernerkundung Exposureinformationen zu Gebäuden zu sammeln. Für die so bestimmten Gebäudetypen wird eine einfach gehaltene Analyse durchgeführt, um zustandsabhängige Fragilitätsmodelle zu erhalten. Obwohl die zahlreichen Vereinfachungen dabei keine verlässlichen Modelle liefern, erlauben diese es Trends zu identifizieren, um die genannten wissenschaftlichen Fragestellungen zu beantworten. Die Ergebnisse zeigen, dass ein zeit- und zustandsabhängiges Modell signifikant höhere Verlustabschätzungen als ein klassischer Ansatz liefert, der Unterschied erreicht dabei bis zu 58% in den in dieser Arbeit präsentierten Beispielen. Des Weiteren kann gezeigt werden, dass eine nur teilweise Berücksichtigung der Problematik nicht ausreicht. Während ein Ansatz, der nur Vor- und Nachbeben, aber keine zeitverzögerte Reparatur berücksichtigt, Verluste am unteren Ende der Wahrscheinlichkeiten möglicherweise stark überschätzt, führt eine Vernachlässigung der Zustandsabhängigkeit der Gebäudefragilität dazu, dass die Verluste für alle Wahrscheinlichkeiten unterschätzt werden. Außerdem konnte festgestellt werden, dass die Berücksichtigung von zeit- und zustandsabhängigen Komponenten in Poissonmodellen, zumindest für den Fall von Nablus, die Verlusteinschätzungen nicht signifikant beeinflusst. Es lässt sich schlussfolgern, dass trotz des größeren Aufwandes, der nötig ist um zeit- und zustandsabhängige Modelle über urbane Skalen zu entwickeln, die beobachteten Effekte stark genug sind, um die Entwicklungskosten zu rechtfertigen, wenn akkurate Risikoeinschätzungen gewünscht sind. Für kurze Beobachtungszeiträume von einem Jahr konnte jedoch gezeigt werden, dass eine tägliche konstante Reparaturwahrscheinlichkeit möglicherweise ausreichend ist, die komplexeren zeitvariablen Reparaturmodelle anzunähern.
Die Arbeit hat eine große Zahl neuer Fragen aufgeworfen. Diese betreffen etwa die Bestätigung und feinere Ausarbeitung der Trends durch detailliertere Analysen zu den einzelnen Komponenten, das heißt es können anspruchsvollere Modelle entwickel werden, vor allem für die Erdbebengefährdung und die Gebäudefragilität. Des Weiteren kann die für die Simulationen entworfene Programmrahmenstruktur als Ausgangsbasis für eine Vielzahl an neuen Forschungsarbeiten im Bereich kaskadierender Ereignisse genutzt werden. Diese können etwa die Berücksichtigung verschiedener paralleler Gefährdungen, sich dynamisch entwickelnde Expositionsmodelle und Interaktionen zwischen diesen mit einschließen.